Plan A Entschließung

Die Landeskonferenz des Landesverbandes Bayern der SPD hat am 12. 6.48 in Fürth folgende Entschließung gefaßt:

Drei Jahre nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes steht heute das deutsche Volk vor wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen, die das soziale Gefüge unseres Landes auf das tiefste erschüttern werden. Die bevorstehende Währungsreform, der unvermeidlich gewordene soziale Ausgleich der Lasten werden mit brutaler Härte das Ausmaß unseres Elends offenbaren. Schon formieren sich erneut die reaktionären Kräfte, um die Hauptlast dieser von ihnen mitverschuldeten Volkskatastrophe auf das arbeitende Volk abzuwälzen. In der Trostlosigkeit unserer Lage erschien das Europa‑ Hilfsprogramm als eine neue Hoffnung. Diese Hoffnung wird heute durch die politischen Entscheidungen von London getrübt, die nach Meinung der Sozialdemokratie die Einordnung Deutschlands in eine europäische Gemeinschaft nicht erleichtern.

Wenn ein neues demokratisches Europa erstehen soll, so muß auch Deutschland die Möglichkeit zum Aufbau gegeben werden. Wir werden eine solche Chance aber nur nützen können, wenn es dem entschlossenen Willen der arbeitenden Menschen unseres Volkes gelingt, auf den Trümmern einer untergehenden kapitalistischen Welt eine neue soziale Ordnung zu schaffen. Der Versuch der Wiederherstellung einer monopolkapitalistischen Gesellschaft würde den Untergang der demokratischen Freiheiten und den Sieg der totalitären Mächte zwangsläufig zur Folge haben. Es ist der entschlossene Wille der Sozialdemokratie, mit ihrer ganzen Kraft die neukapitalistischen Einflüsse zu zerschlagen und dem Aufbau das Gesicht der Demokratie und des Sozialismus zu geben.

In diesem Geiste kämpfen auch die Sozialdemokraten in Bayern. Wir haben auch hier den Willen gezeigt, mit anderen Kräften zu einer gemeinsamen Leistung zusammenzustehen. Die absolute Mehrheit der Christlich Sozialen Union im Bayerischen Landtag hat sich aber als das große Hemmnis für jede Vorwärtsentwicklung erwiesen. Obwohl die hinter uns liegenden Wahlen den eindeutigen Beweis erbracht haben, daß diese Partei heute im Landtag nur eine fiktive Mehrheit vertritt, will sie und die von ihr getragene Regierung daraus keine Konsequenzen ziehen. Die Brechung der Mehrheit dieser Partei im Landtag ist daher die erste Voraussetzung für den politischen Fortschritt in Bayern. Die Landeskonferenz erwartet vom Landesausschuß und von der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, die bisherige klare politische Linie der Partei trotz aller Beeinflussungsversuche konsequent fortzuführen. Sie fordert die Fraktion auf, nachdrücklich dahin zu wirken, durch eine Neuwahl des Landtags auch den Millionen Neubürgern und Heimkehrern jenes politische Gewicht zu geben, das ihnen im Rahmen der großen vor uns liegenden Entscheidungen zukommt.

Die Sozialdemokratie hat, obgleich in Opposition, in ernster Arbeit einen Beitrag zum Wiederaufbau geleistet. Sie hat in der Frage der Demokratisierung der Wirtschaft durch ihre vier Gesetzesanträge einen klaren Standpunkt bezogen. Sie hat in ihrem Plan "A" den Nachweis geliefert, daß die Schaffung von hunderttausend Wohnungen in drei Jahren keine Unmöglichkeit darstellt, wenn ein zum Aufbau entschlossenes Parlament und eine zur Neuordnung bereite Regierung vorhanden sind. Die Sozialdemokratie in Bayern wird den sozialen Wohnungsbau in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. In diesem Bemühen ist sie bereit, mit allen zusammenzuarbeiten, die auf dem Boden der Demokratie ein neues soziales Deutschland schaffen wollen. Zu dieser Mitarbeit ruft die Konferenz alle Aufbauwillige im Lande auf.

Anfang! Aufbau! Aufstieg!

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Plan "A" (Thesen)

Aufbau in Bayern

I. Drei Millionen Menschen ohne eigene Wohnung, unsere Städte zerstört, die Flüchtlinge ohne Arbeitsplatz. Wir müssen bauen. Bauen ist der Weg aus dem Elend.

II. Wir k ö n n e n bauen. Plan "A" der SPD beweist es.

III. Regierung und Landtag haben versagt. Wir fordern einen Landtag des Aufbaus und eine Regierung der Tat.

IV. Laßt uns beginnen! Der erste Schritt: 100 000 Wohnungen in 3 Jahren.

V. Wir brauchen einen Aufbauplan. Planlosigkeit führt zum Untergang. Wir fordern Einheit im Ziel, Freiheit im Weg! Wir fordern ein soziales Bau‑ und Bodenrecht! Wir fordern sozialen Wohnungsbau durch gerechte Verteilung der Lasten.

VI. Gemeinsames Schicksal verpflichtet die Länder zu gemeinsamer Tat. Wir fordern von Frankfurt: Gebt der Bauwirtschaft ihr Recht! Von der Regierung verlangen wir: Fangt endlich an!
Unser Programm zeigt den Weg.

VII. An die Besatzungsmächte geht unser Appell: Laßt uns die Rohstoffe für den Aufbau!

VIII. Vom Bauen für den Krieg zum Bauen für den Frieden. Faßt neuen Mut! Vorwärts in eine bessere Zeit!

Anfang! Aufbau! Aufstieg!

14.6.48

Richtlinien zur Durchführung der Aktion "A"

Nach Beendigung der Landeskonferenz von Fürth am 13. Juni 1948 sind folgende Richtlinien für die organisatorische Arbeit der Bezirke, Kreise und Ortsgruppen im Lande Bayern zu beachten:

  1. Sobald wie möglich nach dem Erhalt des vorliegenden Materials muß von jedem Ortsvereinsvorstand eine Gesamtmitgliederversammlung einberufen werden. Auf dieser Mitgliederversammlung muß der im Material enthaltene Aufruf des Landesvorstandes zur Verlesung kommen und über die Beschlüsse von Fürth Bericht erstattet werden. Wenn möglich soll ein kurzes Fachreferat 'über den Inhalt des Planes: "A" gegeben werden.

  2. Durch die Mitgliederversammlung ist in jedem Ortsverein ein Genosse oder ein Ausschuß zu wählen, der sich ausschließlich mit den Fragen des örtlichen Aufbaues beschäftigt. Außerdem sind bei jeder Kreis‑ und Bezirksorganisation Aufbau‑ Ausschüsse zu bilden.

  3. Besondere Fragebogen über den Stand des Aufbaues, die dem Material beigegeben sind, müssen von den betreffenden Ausschüssen innerhalb 4 Wochen beantwortet an den Landesvorstand eingesandt werden. Die Beantwortung hat jeweils nach der dem Fragebogen beigegebenen Anweisung zu erfolgen.

  4. Sobald als möglich sollen überall Kreiskonferenzen abgehalten werden, auf denen die mit den Aufbaufragen beschäftigten Funktionäre der Ortsvereine vertreten sein müssen. Dabei ist von jedem Kreisverband ein besonderer Arbeitsplan für die Durchführung der Aktion "'A" aufzustellen.

  5. Bis, zum 31. Juli 1948 müssen alle Kreisverbände einen ersten Bericht über die Wirkung bzw. das Echo der bisherigen Aktionen einreichen. Der Bericht ist in zwei Teile zu fassen: a) Die Wirkung auf die Mitglieder, b) auf die Öffentlichkeit. Gleichzeitig sollen Vorschläge zur Verbesserung der Aktion unterbreitet werden. Die Bezirke erhalten laufend vom Landesvorstand Informationen über eingehende Berichte aus ihren Kreisen.

  6. In größeren Ortsvereinen sind Arbeitsgemeinschaften zur Beratung der Aufbauprobleme und zum Studium des Plan "A" zu bilden.

  7. Mit Anfang Juli beginnend, sollen nach Möglichkeit öffentliche Versammlungen über den Plan "A"‑ durchgeführt werden. Dabei ist zu beachten, daß fachkundige Personen über örtliche Fragen des Aufbaues sprechen. Diese Versammlungen dürfen nicht in der bekannten Wald‑ und Wiesenform gehalten werden. Entsprechendes Referentenmaterial wird über den Referentendienst zugänglich gemacht:

  8. Jeder Kreisverband hat eine besondere Kartothek anzulegen, in der Namen und Personaldaten von Persönlichkeiten gesammelt werden, die in dem betreffenden Kreis für die Fragen des Aufbaues in unserem Sinne zu aktivieren sind. Dabei kommt es besonders auf Fachleute an.

  9. Weiteres Propagandamaterial, Plakate und Flugblattentwürfe, wird durch die Bezirke an die Kreise geleitet.

  10. Insoweit durch die politische Entwicklung die Durchführung eines Volksbegehrens zur Auflösung des Landtages notwendig sein sollte, wird die Aktion "A" mit der Propaganda zur Einschreibung in die Listen in Verbindung gebracht. Zur Durchführung des Volksbegehrens werden besondere Richtlinien herausgegeben.

  11. Die Durchführung der Aktion "A" ist die vordringlichste Aufgabe jeder Parteiorganisation. Nach der Währungsreform muß sofort alles versucht werden, um durch Einkassierung der Beiträge die Partei aktiv zu erhalten. Es ist darauf zu achten, daß die Propagandaaktionen für den Plan "A" keine lange Unterbrechung erfahren.

  12. Die organisatorische Leitung der Aktion "A" untersteht dem Genossen Martin Albert. Als Adresse. gilt die Adresse des Landesvorstandes, München 34, Schackstraße 2.