Verbesserung des Vereins- und Versammlungsrechts und Wahlrechtsreform

Zwei Themen hatten für die Arbeit der ersten SPD-Landtagsfraktion zentrale Bedeutung: Der Kampf um ein liberales Vereins- und Versammlungsrecht und das Eintreten für eine demokratische Reform des Wahlrechts. Das bis bis Ende des 19. Jahrhunderts gültige Vereins- und Versammlungsrecht enthielt zwei grundsätzliche Einschränkungen: Zum einen durften (lokale) politische Vereine nicht miteinander in Verbindung treten. Zum anderen durften Frauen und Jugendliche wegen angeblicher sittlicher Gefährdung politischen Organisationen nicht angehören und deren Veranstaltungen nicht besuchen. Mit Verfassungsbeschwerden und in Landtagsdiskussionen versuchte die SPD, eine Liberalisierung der Gesetze zu erreichen. Damit stand sie jedoch zunächst allein. 1898 gelang es, ein neues Gesetz mit bedeutenden Verbesserungen zu erkämpfen: So wurde das Verbot für Vereine, überregional in Verbindung zu treten, aufgehoben. Außerdem wurde es Frauen erlaubt, sich in politischen und gewerkschaftlich orientierten Vereinen zu organisieren. Für Jugendliche blieb dies allerdings weiterhin verboten.

Bayern hatte zudem ein restriktiveres Wahlrecht als das Deutsche Reich von 1871. Das Bürgerrecht und auch das Wahlrecht erhielten nur Männer, die die direkte Steuern zahlten. Der Erwerb des Bürger- oder Heimatrechts einer Gemeinde war zudem mit hohen Gebühren verbunden. Wer diese nicht zahlen konnte, erhielt erst nach zehn Jahren Aufenthalt in einer Gemeinde das Bürgerrecht. Dienstboten und Gewerbegehilfen waren grundsätzlich davon ausgeschlossen. Auf Grund dieser Restriktionen konnten an den Landtagswahlen knapp 200.000 Männer weniger teilnehmen, als an den Reichstagswahlen. Doch auch beim Wahlrecht konnte die bayerische Sozialdemokratie bereits vor 1918 Veränderungen erwirken. So gelang es ab 1899, die Bereitschaft der Zentrumspartei zu Zugeständnissen zu nutzen. Im Bündnis mit dem Zentrum konnte die SPD 1905 schließlich das direkte Wahlrecht durchsetzen. Wahlmänner, die man wählte und die anschließend mit ihrer Stimme über die Zusammensetzung des Landtags bestimmten, wurden abgeschafft. Allerdings begünstigte die mit der Wahlrechtsreform umgesetzte Wahlkreiseinteilung die Zentrumspartei massiv, die sich ab 1909/10 zunehmend gegen die Sozialdemokraten wandte. Die grundlegende demokratische Veränderung des Wahlrechts ermöglichte erst die Revolution von 1918.

Lexikon Bild 025: Der bayerische Landtag in der Prannerstraße [Bildarchiv Bayerischer Landtag]
Der bayerische Landtag in der Prannerstraße
(Bildarchiv Bayerischer Landtag)